Privates Militärunternehmen: Persönliche Interessen zum Nutzen von Staaten
“Söldner”: Das Wort ist in aller Munde. Es gibt sie in der Ukraine, in Afrika und im gesamten Nahen Osten. Aber nur wenige wissen wirklich, was damit gemeint ist.
An attempt to establish a legal framework
Unter den Begriffen private Sicherheitsunternehmen / private Militärunternehmen (kurz PMC – Private Military Company) versteht man private Akteure, die im Bereich Sicherheit eingesetzt werden. Sie werden zugunsten anderer privater Unternehmen und NGO genutzt, aber auch von Staaten, die nicht über ausreichende Fachkenntnisse oder Kapazitäten im Bereich der Sicherheit verfügen. PMCs werden in folgenden Bereichen eingesetzt: Logistik in Kriegsgebieten, Ausbildung, Sicherheit und Schutz von Gütern und Personen. Dieser Bedarf ist seit den 1990er Jahren mit den Konflikten in Afghanistan und im Irak gewachsen.
Vor dem Hintergrund des potenziell zunehmenden Missbrauchs durch einige PMCs wurde 2014 mit dem Montreux-Dokument ein Text über rechtliche Verpflichtungen und vorbildliche Verhaltensweisen für Staaten in Bezug auf die Nutzung und den Betrieb von PMCs veröffentlicht.
Dieses Dokument ist das Ergebnis einer gemeinsamen Initiative der Schweiz und des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz. Es wurde unter Beteiligung von Regierungsexperten aus 17 Staaten – Afghanistan, Angola, Australien, China, Deutschland, Frankreich, Irak, Kanada, Österreich, Polen, Sierra Leone, Südafrika, Schweden, Schweiz, Ukraine, Großbritannien und USA – in Sitzungen zwischen 2006 und 2008 erarbeitet. Es wurden Vertreter der Zivilgesellschaft und privater Militär- und Sicherheitsunternehmen konsultiert.
Das Montreux-Dokument definiert drei Arten von Verantwortungsträger unter den Staaten, von denen ein PMC abhängt:
– Vertragsstaaten (Länder, die SMP beauftragen);
– Territorialstaaten (Länder, in denen PMCs tätig sind);
– Heimatstaaten (Länder, in denen die PMCs ihren Sitz haben).
Während die Verantwortung für einen Verstoß gegen das Völkerrecht beim Unternehmen liegt, zielt das Montreux-Dokument vor allem darauf ab, die Verantwortung dieser drei Arten von Staaten in Erinnerung zu rufen. Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht, die Menschenrechte oder andere Vorschriften, die von einer PMC begangen werden, sind nämlich auch dem Vertragsstaat zuzurechnen. So sind die Vertragsstaaten verpflichtet, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um Mitglieder einer PMC, die Kriegsverbrechen wie Folter, Geiselnahme usw. begangen haben, zu untersuchen, strafrechtlich zu verfolgen und auszuliefern. Die Heimatstaaten sind für die Umsetzung ihrer Menschenrechtsverpflichtungen verantwortlich. Zu diesem Zweck sind diese Staaten verpflichtet, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um Fehlverhalten von PMCs und ihrem Personal durch entsprechende Gesetze zu verhindern.
Nichtregierungsorganisationen und Unternehmen können das Montreux-Dokument nicht formell adoptieren, da es das Ergebnis einer Initiative ist, die in erster Linie darauf abzielt, die Staaten verantwortlich zu machen. Sie werden jedoch ermutigt, es als Referenz in ihren Beziehungen mit privaten Militär- und Sicherheitsunternehmen zu verwenden.
PMCs als Deckmantel für staatliche Aktivitäten
Obwohl es sich bei PMCs um private Unternehmen handelt, kann eine Verbindung mit dem Herkunftsstaat nicht ausgeschlossen werden. In verschiedenen Konflikten wo PMC’s präsent sind, leugnen Staaten, dass sie involviert sind. Sie manipulieren dennoch solche Unternehmen, um Aktionen durchzuführen, ohne dass sie politische Verantwortung tragen. Zwei private Militärunternehmen stehen im Verdacht, in den Händen ihres Staates zu sein: Sadat von der Türkei und Wagner von Russland, aber die iranische Revolutionsgarde kontrolliert auch eine Vielzahl von Unternehmen im Ausland.
Iran: eine Vielzahl von Unternehmen
So fördert Al-Qalaa, auch bekannt als CSP (Castle Security and Protection), iranische Interessen und schützt seine Staatsangehörigen im Ausland. So ist beispielsweise bekannt, dass diese PMC die Sicherheit iranischer Pilgerkonvois in Syrien gewährleistet. Eine andere PMC, Al-Fajr Security, sorgt für die Sicherheit auf der Straße von Damaskus nach Irak, die durch die Provinz Deir Ezzor führt. Die Tätigkeit von Al-Fajr wird den Angaben zufolge von den Revolutionsgarden in Zusammenarbeit mit dem syrischen Militärgeheimdienst bestimmt. In der Provinz Deir Ezzor schützt die PMC die von den Revolutionsgarden kontrollierte Erdölinfrastruktur und sichert die Straßen dorthin. Iran versucht jegliche Verbindung zu diesen Unternehmen zu verbergen, die syrischem Recht unterliegen und daher offiziell in keiner Weise mit Iran in Verbindung stehen.
Türkei und Russland: Monopole im Sektor der Sicherheitsdienste
Sadat wurde am 28. Februar 2012 von 23 pensionierten Offizieren und Unteroffizieren unter dem Kommando von Adnan Tanri Verdi gegründet. Ihre Aufgabe ist es, “eine Zusammenarbeit in den Bereichen Verteidigung und Verteidigungsindustrie mit islamischen Ländern aufzubauen”. Offiziell handelt es sich bei diesem Unternehmen um eine Sicherheitsberatungsfirma. Es ist jedoch eine paramilitärische Organisation. Sadat bildete Ende 2015 und Anfang 2016 etwa 3.000 Syrer und Libyer aus. Sie überwachte den Transport von syrischen Kämpfern nach Libyen im Jahr 2019. Andere Informationen weisen darauf hin, dass 38 Personen von Sadat die Operation durchführten und 50 Ausbilder die Ausbildung leiteten.
Neben den Angaben auf der Website des Unternehmens besteht die wichtigste Tätigkeit von Sadat in der Vermarktung türkischer Waffen, insbesondere im Nahen Osten und in Afrika. Einige Medien haben konkret aufgedeckt, dass Sadat zwischen Juli und September 2019 rund 10 000 Tonnen Waffen und Munition (gepanzerte Fahrzeuge, Raketenwerfer und Drohnen) an Tripolis-treue Milizen verkauft hat. Vor kurzem wurde noch von Oppositionsparteien in der Türkei eine Klage gegen Sadat International Defence Consultancy wegen illegalen Waffenhandels eingereicht. Der türkische Präsident bestreitet jede Verbindung zu Sadat und behauptet, er habe “nichts zu tun” mit der Führung des Unternehmens, obwohl der Sadat-Gründer Adnan Tanrıverdi nach dem Putschversuch 2016 zu seinem Berater ernannt wurde.
Das russische private Militärunternehmen Wagner, ein Konkurrent von Sadat in Libyen, erlangte 2014 während des Dombass-Kriegs in der Ukraine internationale Berühmtheit. Die separatistischen Kräfte in den selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk wurden in erheblichem Umfang unterstützt, ohne dass Russland seine Beteiligung zugegeben hätte. Seither ist Wagner auf dem afrikanischen Kontinent in Zentralafrika sowie in Mali, Syrien und Libyen präsent. Den Wagner-Mitarbeitern werden in den Gebieten, in denen sie eingesetzt werden, Kriegsverbrechen vorgeworfen. Zu den Vorwürfen gehören Vergewaltigung und Folter. Obwohl der Gründer der Wagner-Gruppe, Jewgeni Prigoschin, Wladimir Putin nahe steht, bestreitet der Letztere jegliche Verbindung zur Wagner-Gruppe oder sogar deren Existenz.
Private Militärunternehmen sind in Russland aber illegal. Daher könnte der Kreml die Gruppe bestrafen oder auflösen, um sich der Verantwortung für die von den Agenten des Netzwerks begangenen Gräueltaten zu entziehen. Russland hat jedoch keine derartigen Schritte unternommen und damit seine implizite Unterstützung für Wagner gezeigt. Am 7. Februar 2022 erklärte Wladimir Putin auf einer Pressekonferenz, dass “die Russische Föderation nichts mit den in Mali operierenden privaten Militärorganisationen zu tun hat”. Diese Worte wurden im Mai 2022 von Sergei Lawrow bestätigt, der zugab, dass die Wagner-Gruppe in Mali präsent ist. Trotz dieser Anerkennungen leugnete die malische Übergangsregierung weiterhin die Präsenz von Wagner und gab lediglich eine Partnerschaft mit Russland zu, wodurch Ausrüstung und Ausbilder bereitgestellt werden. Die Anwesenheit der Gruppe wird nun von der Übergangsregierung in voll und ganz angenommen, da die Präsenz der Söldner weithin sichtbar ist.
Die wahren Ziele: Leugnung und Profit
Angesichts der Verantwortung der Vertragsstaaten und der Herkunftsstaaten der PMCs liegt es im Interesse beider Seiten, die Existenz dieser paramilitärischen Gruppen zu leugnen, die, ohne dies zu sagen, aus persönlichen, politischen oder ideologischen Interessen handeln. Wagner nutzt Ideologie als Fassade und macht sich Symbole und Ideen zu eigen, die an die Sowjetzeit erinnern, wie ein ausländischer Söldner berichtet. Die Gruppe vertritt auch eine ultranationalistische Weltanschauung. Letztlich geht es den Söldnern jedoch um den reinen Profit. Das Unternehmen selbst versucht, ein Geschäftsmodell zu etablieren und gehorcht dabei den Anweisungen des Kremls. Man kann also sagen, dass sie versuchen, russische Interessen zu fördern und gleichzeitig Profit zu machen. Im Gegensatz zu diesen Unternehmen behauptet Sadat, hinsichtlich seiner ideologischen Ziele, d.h. der Verteidigung der muslimischen Länder gegen “westliche Kapitalisten” mit “Kreuzfahrermentalität”, völlig unflexibel zu sein. Dennoch konzentriert das Unternehmen seine Bemühungen auf den Export türkischer Waffen in muslimische Länder. Der Islam ist also ein Vorwand, um sich einen bevorzugten Zugang zu den Märkten der muslimischen Länder zu verschaffen. Die Ideologie Sadats sollte daher als eine Fassade betrachtet werden, hinter der sich Machtspiele und eine Handelsstrategie verbergen.