Schuldspruch in Deutschland gegen Syrer für Folter – Was dahinter steht
Anwar R. wurde vom Oberlandesgericht in Koblenz als schuldig für Folter erklärt. Diese Entscheidung bedeutet viel für die Opfer und deren Angehörigen aber auch für Syrien, Deutschland und für die Justiz weltweit. Ich habe Recherche zu diesem Thema geführt und mich mit Syrern unterhalten, um den Hintergrund zu verstehen. In diesem Artikel möchte ich diese Sache präsentieren, so dass sie auch für diejenigen klar wird, die keine Syrienspezialisten sind.
Warum wurden Menschen in Syrien gefoltert?
Schon Bashar al-Assads Vater, Hafez al-Assad, hatte Folter gegen die Opposition verübt. Er hatte 1982 nach der blutigen Niederdrückung eines Aufstand der Muslimbrüder ein organisiertes Foltersystem errichtet. Das System hatte zwei Ziele: Informationen über die Opposition zu sammeln und die Opposition so einzuschüchtern, dass sich der Aufstand nicht wiederholt.
Als der arabische Frühling sich in Syrien verbreitete, wandte Bashar al-Assad die Strategie seines Vaters erneut an. In der Stadt Dara’a hatten Teenager Regierungskritische Graffitis gemacht und wurden deswegen festgenommen und gefoltert. Wie einstmals sein Vater, wollte Bashar al-Assad die Opposition somit abschrecken. Er wollte direkt bei den ersten Zeichen der kleinsten Kritik dagegen vorgehen, so dass sich der arabische Frühling in Syrien nicht weiterentwickelte. Im Gegenteil, die Opposition organisierte Proteste gegen die Folter der Teenager. Dies war der Anfang einer Eskalation der Gewalt und der Folter in Syrien.
Seitdem wurde das Foltersystem verhärtet, die Anstalten und geheime Gefängnisse erweitert und besser organisiert. Solche Methoden haben sich auch unter den verschiedenen Fronten verbreitet. Mehr als 14,000 Personen starben wegen Folter, vom syrischen Staat verübt. Um die 30 Personen wurden bei der Folter vom Islamischen Staat sowie von der dschihadistischen Gruppe Hay’at Tahrir al Sham getötet.
Wer ist an der Folter in Syrien beteiligt?
Für diese Verbrechen sind vor allem syrische Staatsdiener und Militärangehörige verantwortlich. Es ist aber nicht auszuschließen, dass ausländische Akteure auch daran beteiligt sind.
2019 wurde ein Syrischer Mann von Söldnern aus dem Unternehmen Wagner Group festgenommen und gefoltert. Er war unter verdacht, zu versuchen von der syrischen Armee zu desertieren. Es gibt ein Video der Folter: Am Ende wurde er geköpft und sein Körper verbrannt.
Genauso gibt es zahllose Berichte von Syrern, die versucht haben vor der Gewalt zu fliehen indem sie in die Türkei auswanderten. Dort wurden sie festgenommen, gefoltert und nach mehreren Tagen nach Syrien zurückgeschickt.
Warum foltern die Türkei und Russland Menschen in Syrien?
Das Wagner die Folter gefilmt hat ist kein Zufall. Damit will Russland bewirken, dass die verschiedene Gruppen die in Syrien kämpfen verstehen, dass es zu allem Bereit ist, um das syrische Regime zu unterstützen. Es geht darum, dass Russland einflussreicher wird, indem es den syrischen Staat unterstützt.
Auf einer ähnlichen Weise zeigt die Türkei, dass es vor nichts schreckt, um syrische Immigranten zurückzuschicken. Die Türkei will auch der syrischen Regierung klar machen, dass Immigranten keine Waffe sei, das diese gegen sie anwenden kann.
Warum lehnen sich die Menschen trotz dieser Gräueltaten gegen das Regime auf?
Die Opposition gegen die Syrische Regierung existierte schon vor 2011. Damals waren viele Menschen, vor allem jugendliche aussichtslos. Sie sahen keine Möglichkeit, geplagt von Armut und Arbeitslosigkeit. Auch die Korruption in Syrien war ein wichtiger Grund für Kritik.
Die Folter schreckt zwar viele Menschen ab, aber sie steigert auch den Hass gegen die Regierung, der schon viel früher existierte.
Die Menschen werden wohl nicht aufhören, die Regierung zu bekämpfen, vor allem Gruppen die bereits der Gewalt des Staates ausgesetzt sind und deswegen nicht mehr zurück können.
Es besteht auch ein Radikalisierungsphänomen innerhalb der Opposition. Es gibt zwar friedliche Demonstranten, die sich eine Demokratie wünschen aber genauso gibt es auch islamistische Kämpfer, die versuchen den Syrischen Staat mit einem islamischen Staat zu ersetzen. ISIS Kämpfer haben sicherlich einen anderen Zugang zur Folter, da sie selbst Menschen foltern.
Gibt es Beweise für die Folter?
Es gibt viele Beweise: Photos, Dokumente und viele unabhängige Berichte. Die wichtigste Person wird „Caesar“ genannt. Es handelt sich um einen Syrer, der dafür zuständig war, die Körper der gestorbenen Folteropfer zu photographieren. Als Caesar aus Syrien geflüchtet ist, hat er eine große Anzahl an Bildern mitgenommen, wo die Körper erkennbar und die Opfer identifizierbar sind. So konnte ermittelt werden, dass viele Oppositionelle in Syrien gefoltert wurden.
Was bedeutet dieser Schuldspruch?
Es ist das erste Mal, dass das Prinzip der universellen Gerichtsbarkeit bei einem syrischen Fall angewendet wird. Laut diesem Prinzip können Untersuchungen zu bestimmten schweren Verbrechen geführt werden und können die Verbrecher strafrechtlich verfolgt werden. Dies geschieht unabhängig von dem Ort indem sie begangen wurden und von der Nationalität der Verdächtigen sowie der Opfer.
Die universelle Gerichtsbarkeit bedeutet auch für die Täter, dass sie im Ausland verfolgt werden können und dass sie deswegen nicht auf ein Asylantenstatus hoffen können. Das heißt das ein Täter in Syrien weiß, dass er nicht ins Ausland flüchten kann, da der Arm der Justiz in dort auch erreichen kann. Dieses Faktum kann dazu beitragen, dass weniger Menschenrechtsverletzungen stattfinden, da die Täter wissen, dass gegen ihnen ermittelt werden kann.